Vor ein paar Wochen hat mich die Qweertainment Crew gefragt, ob ich an der Pride Bern beim Qweertainment Wagen mitlaufen möchte. Da ich finde, dass wir mit der Akzeptanz und Gleichberechtigung der LGBTQIA+ Gemeinde noch immer nicht da sind, wo wir sein sollten (nämlich 100% Akzeptanz und 100% gleiche Rechte) fand ich das eigentlich eine gute Idee.
Ich kann es nämlich nicht verstehen, warum man sich von queeren Menschen gestört fühlt. Klar darf einem auch eine queere Person auf den Wecker gehen. Aber dass einen die ganze Queere Communitiy so stört, dass man diese Personen anfeindet, z.B. dass man unter einem Outing Post wie von Ralph Schumacher vor ein paar Wochen tonnenweise Kotz-Emojis und «sie sollten sich schämen» Kommentare findet (zumal man diesen Ralph ja gar nicht persönlich kennt, d.h sein eigenes Leben durch dieses Outing aber so was von überhaupt nicht tangiert wird) finde ich sehr traurig (schön aber, dass die positiven Meldungen überwiegen).
Auch verstehe ich nicht, woher die Annahme kommt, dass wenn gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, die Ehe von Heteropersonen bedroht sei. Die «normale» Familie bedroht sei. Die Heteroehe wird ja nicht verboten, und wer jemanden vom anderen Geschlecht heiraten will, darf das ja immer noch tun!
Und das ist nur hier, wenn man über die Grenzen hinausblickt, ist die Lage von queeren Menschen an vielen Orten noch viel schwerer… Es gibt so viele solcher Beispiele. Und was ich ganz und gar überhaupt nicht und niemals verstehen kann: die Tendenz ist sogar, zurück zur «guten alten Zeit» zu gehen, d.h die Rechte von LGBTQIA* (und auch Frauenrechte) werden wieder mehr eingeschränkt (Russland, USA, Ungarn und und und). Kotz!
Also mir waren gleiche Rechte immer wichtig, und ich habe mich auch für einen recht offenen Menschen gehalten… und mich dann doch beim Gedanken ertappt: aber was ist, wenn mich jemand sieht und denkt, ich sei queer? Ich war ein bisschen erstaunt, dass ich das gedacht habe. Das war so ein bisschen, wie wenn man nach einer langen Nacht in den Spiegel guckt und nicht so mag, was man sieht. Wo verdammt noch mal kam dieser Gedanke her? Also bist Du doch nicht ganz so offen wie Du gedacht hast, liebe Ginny? Bist Du ein kleiner Feigling? Ja, braucht es denn Mut, an einer Pride mitzulaufen?
Ich habe nachgedacht und versucht, dem auf die Spur zu kommen. Denn eigentlich hatte ich das Gefühl, dass es mich nicht mehr gross stört, was andere über mich denken (das ist ja einer der ganz grossen Vorteile vom älter werden: dass einem die Meinung der anderen nicht mehr so sehr kratzt). Und dann habe ich gemerkt: ja, es kratzt mich wirklich nicht. Sollen die Leute mich sehen und denken was sie wollen!
Und so war ich letzten Samstag an der Pride Bern. Es war die 2. Demo, an der ich je teilgenommen habe (die erste war das 30jährige Jubiläum des Frauenstreiks 2021). Und es war – ausser der Hitze – suuuuper. Wie schon beim Frauenstreik fand ich das Zusammengehörigkeitsgefühl so wundervoll. Egal wer man war, was man war, wie man aussah: man demonstrierte zusammen und ist zusammen gestanden für ein gemeinsames Ziel. Wundervoll war auch, wie die Leute aus den Fenstern gejubelt haben, am Strassenrand gewunken haben, wie die Kinder total begeistert mit den Dragqueens Fotos gemacht haben – es war eine tolle, friedliche Demo. Und ich habe ganz viele Fotos gemacht und auf meinem WhatsApp Status und auf der Instagram Story gepostet! Und hatte mega Spass dabei, dass mich viele Leute gsehen haben.
Und möchtet Ihr wissen, was sich die Leute dabei geacht haben? Keine Ahnung. Ich hoffe aber dass sie gedacht haben: "ah, Ginny war an der Pride". Nichts mehr, nichts weniger. Denn dann wäre das Ziel der Pride erreicht: zu zeigen, dass es so was von egal ist, wer was ist!
Und was ich gelernt habe:
manchmal bin ich ein kleiner Feigling und nicht so toll wie ich gedacht habe
es ist gut wenn ich das merke, denn so kann ich mich entwickeln
an einer Demo im Sommer immer einen Fächer oder sogar Schirm mitnehmen (es war höllisch)
und immer Sonnenschutzfaktor 50 und Kopfbedeckung!
Eure Ginny
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